Innenräume nach dem Entwurf Henry van de Veldes im ehemaligen Sanatorium in Trzebiechów
(Forschungs - und Konservationsarbeiten)
"Unser Schicksal ist, in den Zeiten zu leben, in denen die Kunst zusammengebrochen ist..." schrieb Henry van de Velde in seinen allgemeinen Bemerkungen über die Kunstsynthese im Jahre 1898. Deswegen ist auch der Wille des progressiven Teils der damaligen Künstler zu beobachten, die danach gestrebt haben, die Erscheinungen der neuen Kunst in allen ihren Bereichen zu zeigen. Neue Ideen sollten überall gelten, von der Architektur bis auf die kleinsten Gebrauchsgegenstände. So wie in verschiedenen Werken van de Veldes, der nicht nur Gebäude und ihre Innenräume, sondern auch die Gegenstände in diesen Räumen entworfen hat, alles im Sinne des von ihm verkündeten Prinzips der Gleichwertigkeit der einzelnen Formen und Aussagen in der Kunst. Sonst ". wäre das im wesentlichen nichts anderes, als ein zu weit gehender Grundsatz der Hierarchisierung, ein brutales Durchdrängen auf den ersten Platz und eine ungeschickte Abschiebung der gerade meist lebenskräftigen Bereiche".
Die Entdeckungen werden oft zufällig gemacht, das betrifft insbesondere die Konservatoren der Kunstwerke. Im Jahre 2004 wurden die Renovierungsarbeiten im Hauptgebäude aufgenommen, wo ein Fragment des Ornaments entdeckt wurde. Das Woiwodschaftsamt des Konservators in Zielona Góra wandte sich an mich mit der Bitte um die Durchführung der Forschungen bezüglich der Anwesenheit der Polychromie in den Repräsentationsräumen des Hauptgebäude und des Verwaltungsgebäude des ehemaligen Sanatoriums. Das Hauptziel der Forschungsarbeiten war die Bestimmung der ursprünglichen Grundsätze der Farbgebung der Räume, Darstellung des Vorhabens, der Konzeption und der Technik der Ausführung der Innenausstattung. Auf dieser Grundlage war es möglich, die konservatorischen Richtlinien für die Renovierungs - und Konservationsarbeiten in den Denkmalräumen zu schaffen1.
Unter einigen Farbschichten an Wänden und Decken der Repräsentationsgebäude befand sich ursprüngliche Polychromie nach dem Projekt des hervorragenden Belgiers. Die Aufdeckung des Originals, das Kennenlernen der ursprünglichen Farbgebung, der Zeichnung der Malerei wie auch der Technik ist zu einem großen Ereignis nicht nur für den Konservator, sondern vor allem für die Forscher der Werke Henry van de Veldes geworden. Diese Entdeckung ließ uns die Konzeption und die Pläne des Künstlers für die einzelnen Räume des Sanatoriums kennen lernen, ein Konzept, das trotz der Vielfalt alle entworfenen Räume mit einer gemeinsamen Klammer verbindet. Es ist außergewöhnlich, dass diese Polychromien trotz vieler Renovierungen und zahlreicher Farbschichten erhalten blieben und bis heute in gutem Zustand bleiben. Wie bekannt, ist die Mehrheit der Originalpolychromien in anderen Ausführungen van de Veldes vernichtet worden, und die übrigen bilden fast im Ganzen eine aktualisierte Wiederholung dessen, was der Künstler entworfen hat. Malereidekorationen in Trzebiechów stellen also ein Originalwerk dar, sie wurden für ein konkretes Ort geschaffen und bleiben nicht nur in der Originalform, sondern vor allem in der Farbe und der Maltechnik erhalten. Trotz einiger Studien und Begegnungen der Fachleute und der Diskussion über die Entdeckung in Trzebiechów haben erst die durchgeführten Forschungen, die das Bestehen der Polychromie bestätigt haben, ein wahres Bild der Innenräume zum Ausdruck gebracht und ihr Farbenkonzept gezeigt. Hier darf die Farbgebung der Details nicht vergessen werden - gemalte Fenster, profilierte Türen, Rahmendekorationen, Dekorationen von Treppen und Balustraden.
Henry van de Velde hat bei dem Entwerfen der Innenräume des ehemaligen Sanatoriums die Wirkung der Farbe von der Maltechnik - Untergrundcharakteristik und Methode der Auftragung der Farbe - abhängig gemacht, und zwar mal ist das eine Glanzfarbe, mal eine Mattfarbe, ein anderes Mal eine verdünnte Farbe oder eine mit Faktur an der Oberfläche aufgetragene Farbe mit deutlicher Struktur.
Es ging auch nicht ohne Änderungen des Konzeptes von dem Künstler selbst ab. Als Beispiel solcher Änderung kann die Malereidekoration in einem der sog. Gesellschaftsräume dienen, in dem der Künstler die Farbe der Decke von orange auf grün geändert und den Streifen des die Wände entlang laufenden Ornaments (Bordüre) breiter gemacht.
Es ist hier noch zu erwähnen, dass das Ornament in dem Schaffen Henry van de Veldes eine besondere Rolle spielt. Das Ornament ist nach der Ansicht des Künstlers ein Symbol.
Solchen Titel: "Das Ornament als Symbol" trägt auch ein Kapitel in seinem in Berlin im Jahre 1901 herausgegeben Buch "Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe"2 .
Henry van de Velde hat in dem oben erwähnten Kapitel folgendes geschrieben: "Befreien wir die uns umgebenden Gebrauchsgegenstände von solchen Ornamenten, die nichts bezeichnen, die keine Existenzberechtigung besitzen und infolgedessen keine Schönheit enthalten".
Indem Henry van de Velde die Innenräume der Gebäude im Sanatorium in Trzebiechów, aber auch die Gegenstände in diesen Räumen entworfen hat, hat er seine Idee verwirklicht, laut deren "wir uns keine Teilung der Kunst erlauben dürfen, die einer ihrer vielfältigen Formen und einer der Möglichkeiten der Aussage einen höheren Rang als den anderen verleihen würde". 3
Die Entdeckung von Trzebiechów sollte für ein sehr wichtiges Ereignis für die europäische Kunst anerkannt werden, weil nach 100 Jahren das nächste, bisher unbekannte Werk des hervorragenden Künstlers der Weltklasse, Henry van de Veldes entdeckt wurde. Das Überleben hat diesem Werk seine Anonymität gesichert. Es ist möglich, dass die Tatsache, dass die Polychromie bemalt wurde, sie vor der Vernichtung gerettet hat, und die Abgeschiedenheit der Gebäude verursacht hat, dass herrliche Beschläge und Griffe an Türen und Fenstern weder weggestohlen noch zum Schrott verkauft wurden.
Bis heute wurden die Malereidekorationen in zwei Gesellschaftszimmern, im Billardzimmer und an den Wänden bei den Treppenstufen im Haupthall aufgedeckt. Es wurde auch die nicht erhalten gebliebene Dekoration des Gewölbe im Speisezimmer rekonstruiert. Die Konservationsarbeiten bestanden in der Entfernung der Farbschichten, in der Ergänzung der Putzmängel und in der Bearbeitung ihrer Flächen (Putzstruktur ganz nahe dem Originalputz) wie auch in der Ausführung der Restaurierungsarbeiten - Ergänzung der Mängel der Malschicht und der Ergänzung der fehlenden Fragmente der Schablonedekoration. Bei der Ausführung der Arbeiten, die in der Ergänzung der Malschicht bestanden, war von großer Bedeutung, dass der vielfältige Charakter der Originalschicht erhalten bleibt. Das Ornament und einige Ebenen der Wände und Decken wurden in der fetten Öltechnik auf dem Putz, ein Teil der Wände in der mageren Leimtechnik ausgeführt.
Im Rahmen der durchgeführten Arbeiten wurde die Originalfarbgebung der Fenster und Türen wieder hergestellt. Die Innenräume wurden durch die heute nicht mehr erhalten gebliebenen Details - Möbel, Fußböden, Lampen ergänzt. Ich war bei der Leitung und Ausführung dieser Arbeiten der Meinung, dass der zusätzliche Nachdruck darauf gelegt werden sollte, dass das Detail in diesen Räumen wieder zur Geltung kommt. Im Gesellschaftsraum wurden stilgerechte Lampen angebracht und der ursprüngliche Charakter des Fußbodens wieder hergestellt, der mit einem dunkel braunen, damals modischen Linoleum verlegt wurde. Im Billardzimmer wurde das braun - rote Parkett rekonstruiert, gemäß dem ursprünglichen Konzept des Künstlers wurden die Fußbodenleisten wieder angebracht, auch die epochengerechten Lampen befestigt. Wie es sich einem Billardzimmer gehört, wurde ins Zimmer ein Billard aus jener Epoche gestellt.
Eine separate Aufgabe der Konservations - und Restaurierungsarbeiten war die Rekonstruierung der nicht erhalten gebliebenen Polychromie des Gewölbe im Speisezimmer. Die Malereidekoration am Gewölbe im Speisesaal unterlag völlig der Vernichtung und blieb bis heute nicht erhalten. Die Hauptaufgabe bestand also in ihrer vollen Rekonstruierung. Da die schwarz - weißen Photographien des Speisezimmers erhalten blieben, auf denen die Malereidekoration zu sehen ist, wurde beschlossen, eine Rekonstruktion des Ornaments in der Farbgebung auszuführen, die an die Farbgebung des erhaltenen Ornaments in anderen Räumen des Sanatoriums anknüpft. Die einzige Farbe, die für Originalfarbe anerkannt werden sollte, war Olivgrün der Wände des Speisezimmers, auf ihre kleinen Fragmente wurde während der Durchführung der Forschungsarbeiten gestoßen. Vor der Ausführung der Rekonstruktion wurde eine Reihe von Zeichnungs - und Koloritentwürfen angefertigt, die nicht nur den Umriss der Form des Ornaments, sondern auch die Farbgebung bestimmen. Von großer Bedeutung war die wertmäßige Zusammenstellung der Farben in Bezug auf die erhaltenen schwarz - weißen Photographien. Folglich wurden die Koloritentwürfe der Bearbeitung unterworfen, die in der Entfernung der Farben und in der Analyse der wertmäßigen Kontraste in Bezug auf die erhaltenen Photographien bestanden hat. Die Rekonstruierung der Dekoration wurde mittels der Schablonen durchgeführt. Ihre Größe wurde anhand der erhaltenen Archivphotos dieses Raumes berechnet.
Die Inneneinrichtung des ehemaligen Sanatoriums in Trzebiechów begeistert mit ihrer Farbgebung, mit Form des Ornaments, mit Detail. Immer noch sind die Dekorationen zu entdecken, die die Gänge des Halls im Hauptgebäude entlang laufen, wie auch die Malereidekorationen im Treppenhaus des Verwaltungsgebäude.
Es ist noch eine Reihe der Renovierungsarbeiten im Bereich der Wände und der Decken auszuführen. Die Anzahl und die hohe Qualität der aufgedeckten Malereidekorationen geben dem Denkmal in Trzebiechów eine große Bedeutung für die Weltkultur.
Karol Scheffler hat in der Zeitschrift "Deutsches Wochenblatt" im März 1899 über die Werke Henry van de Veldes folgendes geschrieben:
"Der meist verborgene, aber zugleich der wichtigste Bestandteil der Kunst van de Veldes ist Tradition. Das ist keine der bewussten Traditionen, die den schwächeren Künstlern bequeme Anhaltspunkte, und ihren Arbeiten - einen falschen Anschein der stilgerechten Strenge gibt, sondern eine unterbewusste, tief im Blut steckende, ererbte Tradition des Gefühls der Form, eine Tradition, die nicht zu unterdrücken ist ...". 4 Obwohl sich der Künstler von allem distanziert hat, was verklungen ist, haben wir es in Räumen des ehemaligen Sanatoriums in Trzebiechów ohne Zweifel mit diesem außergewöhnlichen, sich aus der Tradition ergebenden Gefühl der Form zu tun.
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1. D. Markowski, Dokumentierung der Forschungsarbeiten der Repräsentationsräume nach dem Entwurf Henry vam de Veldes in den Gebäuden des Altersheimes in Trzebiechów, 2004/2005; D.Markowski, Dokumentierung der Konservations- und Restaurierungsarbeiten der Polychromie nach dem Entwurf Henry van de Veldes im Gesellschaftszimmer im Hauptgebäude des Altersheimes in Trzebiechów, 2005.
2. Henry van de Velde, Die Renaissance im moderne Kunstgewerbe, Berlin 1901, S. 83-91.
3. Henry van de Velde, Uwagi ogólne o syntezie sztuki, przek³ad rozprawy Dt. Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst "Pan", R. 5: 1899, Herft 4, S. 261-272, Zitiert von E. Grabska, Moderni¶ci o sztuce, Warszawa 1971, S. 495.
4. Henry van de Velde, Die Renaissance., Zitiert von E. Grabska, Moderni¶ci o sztuce, Warszawa 1971, S. 510.